Friede Springer – „Der Staat kann nicht alles“
Welt am Sonntag Interview mit Friede Springer
Die Verlegerin Friede Springer gründet eine Stiftung: Ein Gespräch mit Thomas Schmid über die Liebe zur Wissenschaft und bürgerliches Engagement.
Welt am Sonntag: Frau Springer, es gibt in Deutschland schon mehr als 17.000 Stiftungen. Sie gründen nun eine weitere. Warum?
Friede Springer: Schon vor vielen, vielen Jahren hatte ich die Idee und den Wunsch, etwas für die Allgemeinheit, für die ganze Gesellschaft zu tun. Ich glaube, eine Stiftung ist ein guter, vielleicht sogar der beste Weg, das zu erreichen.
Welt am Sonntag: Die Stiftung ist in Berlin angesiedelt – soll sie berlinspezifisch sein?
Friede Springer: Nein, nicht unbedingt. Es wird die 716. Berliner Stiftung sein, die größte Einzelstiftung und die größte von einer einzelnen Person betriebene Stiftung. Sie wird nur ihren Sitz in Berlin haben, inhaltlich wird sie deutschlandweit und international angelegt sein.
Welt am Sonntag: Wird die Stiftung einen philanthropischen Ansatz verfolgen?
Friede Springer: Sie wird entschieden weiter gefasst sein. Ich persönlich interessiere mich besonders für Wissenschaft und Forschung. Daher wird das sicher ein Schwerpunkt der Stiftung sein.
Welt am Sonntag: Meinen Sie damit vor allem naturwissenschaftliche Forschung?
Friede Springer: Nein, keineswegs. Es soll Wissenschaft und Forschung in der ganzen Breite gefördert werden. Geistes- und Sozialwissenschaften gehören selbstverständlich dazu. Ich habe ja schon meine Herz- und Kreislaufstiftung. Da geht es natürlich ausschließlich um Medizin, Gesundheit und neue Formen der Diagnostik. Herz- und Kreislauferkrankungen sind ja nach wie vor die häufigsten Todesursachen, noch vor dem Krebs. Seit meinen jungen Jahren interessiere ich mich brennend für die Naturwissenschaften – ich erinnere mich noch gut, dass ich mich mit meinem Vater immer um die Wissenschaftsseite der Zeitung gestritten habe. Wissenschaft war in meinem Elternhaus immer ein großes Gesprächsthema. Aber ich will mit der neuen Stiftung – die Friede Springer Stiftung heißen wird – viel breiter fördern. Zum Fortschritt tragen ja nicht nur die Naturwissenschaften bei. Und ich will gar nicht ausschließen, dass die Stiftung auch philanthropisch tätig sein wird. Im Laufe der Zeit wird sich dann ein Profil herausbilden. Das möchte ich jetzt aber nicht vorgeben, das soll sich entwickeln.
Welt am Sonntag: Wer kann in den Genuss von Fördermitteln der neuen Stiftung kommen?
Friede Springer: Es können Einzelpersonen, es können aber auch Institutionen sein. Insbesondere sollen junge Talente gefördert werden. Trotz der breiten Wissenschaftsförderung, die es in Deutschland gibt, kommt es ja immer wieder vor, dass gute Projekte versanden, weil es an Mitteln fehlt, sie auf den Weg zu bringen. Hier will die neue Stiftung dazu beitragen, dass gute Ideen nicht auf der Strecke bleiben. Junge Historiker, die eine Anschubfinanzierung brauchen, können sich ebenso bewerben wie junge Soziologen, Biologen, Mediziner.
Welt am Sonntag: Neben der neuen Stiftung gibt es Ihre Herz- und Kreislaufstiftung und die Axel Springer Stiftung. Warum fassen Sie die nicht zu einer zusammen?
Friede Springer: Ich glaube, dass man mit drei Stiftungen flexibler ist und mehr erreichen kann. Sie haben ja auch ganz unterschiedliche Ziele. Von der Herz- und Kreislaufstiftung sprachen wir schon. Die Axel Springer Stiftung wird es weiter geben, und sie wird von der AG unterstützt. Das alles bleibt klar getrennt. Wohl aber werden sie unter einem Dach versammelt sein – und zwar nicht im Axel Springer Verlag. Wir sind gerade dabei, eine geeignete Immobilie zu suchen. Ich werde alle drei Stiftungen leiten, zusammen mit der Rechtsanwältin Karin Arnold. Aber sie bleiben getrennt. Die neue Stiftung wird aber zweifellos die größte sein.
Welt am Sonntag: Wie wird die neue Stiftung strukturiert sein? Und wer entscheidet?
Friede Springer: Es gibt ein Kuratorium, dem sechs Persönlichkeiten angehören: Marianne Birthler, der Mediziner Manfred Gahr aus Dresden, der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, Christoph Markschies, Joachim Sauer und Eric Schweitzer vom Vorstand der ALBA Group. Sie sehen: ein breites Spektrum, ein wirklich hochkompetentes Kuratorium. Es wird die Anträge beraten. Die letzte Entscheidungsmacht behalte aber ich mir vor, das Kuratorium hat eine beratende Funktion. Die Stiftung wird ganz klar vom Verlag getrennt sein, sie wird keine Unternehmensstiftung sein. Sie ist allein mein persönliches Projekt und völlig unabhängig vom Verlag. Das Kapital der Stiftung stammt allein aus meinem Vermögen.
Welt am Sonntag: Wie hoch ist das Startkapital Ihrer Stiftung?
Friede Springer: Es beträgt 80 Millionen Euro. Da Stiftungen ja nur mit den Erträgen operieren dürfen, werden jährlich vermutlich zwei Millionen Euro zur Vergabe zur Verfügung stehen.
Welt am Sonntag: Stiftungen brauchen auch langfristige Perspektiven. Haben Sie vor, nach Ihrem Tod Ihr gesamtes Vermögen in die Stiftung fließen zu lassen, auch die Aktien der Axel Springer AG?
Friede Springer: Das habe ich bewusst noch nicht entschieden. Die Stiftung ist mir sehr wichtig. Viel mehr aber liegt mir das Wohl des Verlages am Herzen. Mein größter Wunsch ist, dass alles so bleibt wie bisher. Dafür werde ich kämpfen. Ich werde sicherstellen, dass es auch nach meinem Tod bei der Mehrheit am Hause bleibt.
Welt am Sonntag: Der Blick in die Geschichte zeigt, dass es einen Boom von Stiftungen oft in gesellschaftlichen Krisensituationen gegeben hat, in denen der Bedarf an Orientierung besonders groß ist. Glauben Sie, dass wir heute wieder in einer solchen Situation sind und es auch Aufgabe der neuen Stiftung sein wird, der Gesellschaft ein bisschen auf die Beine zu helfen?
Friede Springer: Das glaube ich ganz bestimmt. Ich glaube, dass das bürgerliche Engagement in Zukunft immer wichtiger werden wird. Es gibt einige wenige Menschen, die sehr, sehr viel Geld verdienen und besitzen. Ich finde es richtig, wenn diese Menschen einen großen Teil ihres Vermögens verwenden, um Gutes zu tun – wie in den Vereinigten Staaten Bill Gates, wie Warren Buffett. Warum sollen wir das hier nicht auch machen?
Welt am Sonntag: Da wird – Neid ist ja hierzulande weit verbreitet – der Vorwurf kommen: Erst verdienen sie mit harten Bandagen viel Geld, und dann machen sie auf Wohltäter.
Friede Springer: Gewiss, Neid gibt es. Aber ich glaube, dass nur eine sehr kleine Minderheit neidisch auf die Wohlhabenden blickt. Ich finde den Vorwurf absurd. Wenn Reiche mit ihrem Geld Gutes tun, Wissenschaft fördern, Talente fördern – dann ist das doch gut. Es kommt ja der Allgemeinheit zugute. Damit wird der Staat etwas entlastet. Der Staat kann gar nicht alles schaffen.
Welt am Sonntag: Also auch das Prinzip Sozialbindung des Eigentums?
Friede Springer: Ein bisschen schon.
(Foto © M. Lengemann)